Kolumnen RA Winter für ddp / dapd / Focus

- verfasst von 2001 bis 2022

In Einzelfällen kam es zu einer Änderung der Rechtslage. Die betroffenen Kolumnen wurden aus Zeitgründen noch nicht aktualisiert - dies wird zeitnah nachgeholt.

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Das gute Stück ist weg- was ist zu tun nach diesem Schreck?

von RA Michael Winter

Es hätte ein so schönes Wochenende werden können. Freitags startete Gregor McGasoline, seit langen Jahren in Deutschland lebender Spross schottischer Vorfahren, mit seinem Oldtimer zusammen mit Gleichgesinnten zu einer Ausfahrt in die Alpen.

Nachdem der erste Tag von Mann und Maschine problemlos bewältigt wurde, mussten jedoch die Fahrzeuge aller Teilnehmer aufgrund überfüllter Tiefgarage des gebuchten Hotels vor diesem auf einem Parkplatz abgestellt werden. McGasoline beschlich ein ungutes Gefühl, welches sich im Laufe des Abends an der Bar jedoch legte.

Es sollte ihn jedoch nicht getrogen haben- als er am nächsten Morgen vor dem Frühstück sein Schmuckstück zu inspizieren gedenkt, findet er nur noch einen leeren Parkplatz vor. Sein Fahrzeug, sowie die Fahrzeuge dreier weiterer Teilnehmer wurden offensichtlich gestohlen. Die sofort hinzugezogene Polizei nahm zwar die Anzeigen auf, machte seinen Freunden und ihm jedoch wenig Hoffnung darauf, die Preziosen wieder zu sehen. Für McGasoline, der entgegen schottische Tradition bereit war, Prämien für eine Kaskoversicherung zu bezahlen, begann jetzt der Dialog mit seinem Versicherer, wenn schon kein Oldtimer mehr, dann wenigstens einen Scheck in adäquater Höhe.

Lassen Sie uns anhand des obigen Falles einmal festhalten, was bei der Entwendung eines Oldtimer im Vorfeld und danach generell und zwingend zu beachten ist:

1) Einen Versicherer treffen so genannte „ Obliegenheiten " - dies sind Pflichten, deren Nichtbeachtung Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis und in die Leistungen des Versicherers haben können.

2) Bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls (das heißt des Diebstahls) sind verschiedene Obliegenheiten zu erfüllen - beispielsweise muss:

a) Fahrzeugzustand, Fahrzeugalter, Kilometerleistung und anderes wahrheitsgemäß angegeben werden

b) das Fahrzeug gemäß den Bedingungen des Versicherers genutzt und abgestellt werden (in Ruhezeiten des Fahrzeugs verlangt der Versicherer meist das Abstellen in einer Garage)

c) der Versicherungsnehmer darauf achten, dass sein Fahrzeug, so es auf Parkplätzen und im öffentlichen Verkehr  abgestellt wird, so weit als möglich gegen Diebstahl geschützt ist, das heißt zum Beispiel nicht nur Abziehen des Zündschlüssels, sondern Verschließen der Türen und bei einem Cabrio das Hochkurbeln/Einstecken der Seitenscheiben - gegebenenfalls auch das Schließen des Verdecks.

d) eine eventuell nachgerüstete Wegfahrsperre oder mechanische Sicherungen (so mit dem Kaskoversicherer vereinbart) müssen aktiviert/angebracht werden.

e) die Fahrzeugschlüssel sind sicher aufzubewahren - das Liegenlassen auf dem Tresen nach einem Barbesuch oder das sichtbare Einstecken der Fahrzeugschlüssel in eine Jacke, die später an der Garderobe aufgehängt wird, toleriert ein Versicherer keinesfalls!

Sämtliche vor Eintritt eines Versicherungsfalls zu beachtenden Obliegenheiten aufzuzählen würde den Rahmen dieser Kolumne sprengen - es empfiehlt sich, bei seinem Versicherer nachzufragen und sich von diesem eine Auflistung beziehungsweise einen Auszug aus den gültigen Kaskobedingungen zusenden zu lassen.

3) Ebenso wichtig ist jedoch die Beachtung derjenigen Obliegenheiten, die einen Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalls treffen; hierzu zählen beispielsweise:

a) wahrheitsgemäße Angaben über Fahrzeugalter, Zustand, Kilometerleistung etc.

b) nachvollziehbare und wahrheitsgemäße Sachverhaltsschilderung der Situation (Abstellen des Fahrzeugs/Sicherung des Fahrzeugs etc.)

c) Vorlage aller noch vorhandenen Fahrzeugschlüssel nach Aufforderung des Versicherers

Auch hier ließe sich die Auflistung nahezu beliebig fortsetzen- ich empfehle deshalb, auch diesbezüglich den jeweiligen Versicherer zu kontaktieren.

4) Wichtig ist, zu wissen, dass die Rechtsprechung einem Geschädigten in Fällen wie dem obigen so genannte „Beweiserleichterungen“ gewährt:

Ein Bestohlener muss lediglich einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Fahrzeugentwendung zulässt". In der Regel reicht dazu der Nachweis aus, dass der Bestohlene sein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abstellte und es zu einem späteren Zeitpunkt dort nicht wieder fand. Für diesen „ Mindestsachverhalt“ muss der Geschädigte den so genannten „Vollbeweis“ erbringen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass sein Mitfahrer das Abstellen und das Nicht-Wiederauffinden des Fahrzeugs gesehen hat.

Unseren Gregor McGasoline schützten hier erneut seine schottischen Gene - schon beim Parken des Fahrzeugs schaute er sich um und merkte sich, wer links und rechts neben ihm stand. Zusammen mit diesen Teilnehmern vergewisserte er sich, dass alle drei Fahrzeuge nicht nur ordnungsgemäß geparkt, sondern auch bedingungsgemäß abgeschlossen und gesichert waren - die anderen Teilnehmer konnten somit gegenüber der Polizei und auch dem Versicherer problemlos und wahrheitsgemäß bestätigen, dass unser armes Opfer selbst kein Verschulden am Diebstahl traf.

Schlussendlich erhielt McGasoline von seiner Versicherung einen Scheck über den Wiederbeschaffungswert - da er bei Abschluss der Versicherung clever genug war, eine Wertsteigerungsklausel in den Vertrag aufnehmen zu lassen und ausgehandelt hatte, dass trotz fehlender Wegfahrsperre seines Oldtimers im Falle des Diebstahls keine 10%-ige Kürzung der Auszahlungssumme vorgenommen werde, fiel trotz  aller Unbilden zumindest das finanzielle Trostpflaster wie erwartet aus.

Michael Winter, Rechtsanwalt, Kornwestheim, www.Führerscheinretter.de

 

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