Kolumnen RA Winter für ddp / dapd / Focus

- verfasst von 2001 bis 2022

In Einzelfällen kam es zu einer Änderung der Rechtslage. Die betroffenen Kolumnen wurden aus Zeitgründen noch nicht aktualisiert - dies wird zeitnah nachgeholt.

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Rechte und Pflichten im ruhenden Verkehr - oder: von wegen Ruhe!

von RA Michael Winter

Bestimmt hat jeder schon einmal den Begriff "Ruhender Verkehr" gehört – was sich dahinter verbirgt und welche rechtlichen Fallstricke auf Verkehrsteilnehmer lauern beschreibt Rechtsanwalt Michael Winter (www.führerscheinretter.de) aus Kornwestheim, seit über 20 Jahren bundesweit verkehrsrechtlich als Anwalt und Referent tätig.

Zuerst einmal muss man ein paar Definitionen kennen lernen:

  1. Abgestellt werden Fahrzeuge, falls sie beispielsweise reinen Werbezwecken dienen.
  2. Von Liegenbleiben spricht man, wenn ein Fahrzeug (beispielsweise wegen eines Defekts) steht und nicht sofort weiterfahren kann.
  3. Wird man durch die Verkehrslage oder durch eine Anordnung gehindert, weiterzufahren, so wartet man im Sinne des Gesetzes. Dies ist deutlich vom so genannten Halten zu unterscheiden.
  4. Halten wiederum ist: "Eine gewollte Fahrtunterbrechung, die gerade nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlasst ist" (was für eine Definition!)
  5. Zu guter letzt: Parken bedeutet, sein Fahrzeug zu verlassen oder länger als 3 min zu halten.

Nachdem man sich diese graue Theorie zu Gemüte geführt hat, nun zu praktischen Themen, die immer wieder Bußgeldbehörden und Gerichte beschäftigen.

Schon seit langer Zeit existiert der Begriff der Halterhaftung im ruhenden Verkehr – was aber ist hiermit eigentlich gemeint?

Wer ein Fahrzeug ordnungswidrig anhält oder parkt ist hierfür in erster Linie selbst verantwortlich. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Fahrzeughalter (in diesem Fall derjenige, der als solcher in die Papiere eingetragen ist) zur Verantwortung gezogen wird.

Dies gilt – was wenige wissen – beispielsweise schon dann, wenn der Halter als Mitfahrer Kenntnis von einem Verstoß hat und dagegen nichts unternimmt. Gleiches gilt, falls der Halter als Mitfahrer die Anweisung erteilt, ordnungswidrig zu parken – gerne gesehen bei Busunternehmen und Speditionen, wenn der Chef die Fahrer veranlasst, Fahrzeuge illegal abzustellen. Wenn jedoch nicht geklärt werden kann, wer tatsächlich ohne Kenntnis oder Anweisung eines Fahrzeughalters mit dem Fahrzeug einen Halt- oder Parkverstoß beging, greift §25a I StVG – der Halter wird mit den Verfahrenskosten belastet.

Beachte: Dem Halter wird kein Verwarnungs- oder Bußgeld für den Halt- oder Parkverstoß auferlegt, da das deutsche Recht (wie auch das zahlreicher anderer Staaten in Europa) eine Halterhaftung im ruhenden Verkehr bezogen auf Bußgelder nicht kennt.

Intention des Gesetzgebers war es jedoch, den Halter zumindest mit den Kosten des Verfahrens belasten zu können, falls innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist (drei Monate ab Tatbegehung) der tatsächliche Fahrzeugführer nicht festgestellt werden kann. Der oben genannte Paragraph gilt bei allen Verstößen im ruhenden Verkehr, setzt jedoch voraus, dass die Behörde den Halter rechtzeitig befragt, wer das Fahrzeug eigentlich geführt hat. Die Halterhaftung greift nämlich erst, wenn der tatsächliche Fahrzeugführer nicht feststellbar ist.

Was bedeutet denn nun wieder dies? Nichts anderes als, dass Behörde oder Polizei nicht in der Lage waren, den Fahrzeugführer zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriff.

Hier begibt man sich auf ein weites Feld – klar ist, dass derjenige Halter, der auf Anfrage (obwohl er genau weiß, wer fuhr) jede Auskunft verweigert, die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Eine Ausnahme von der Kostentragungspflicht ist dann möglich, wenn es "unbillig" wäre, den Halter mit Kosten zu belasten. Beispiel ist hier der Fahrzeugdiebstahl – der Halter hat nicht auch noch Verfahrenskosten zu tragen, wenn der Dieb falsch parkt! Wird jedoch ein Fahrzeug durch eine Vielzahl von Personen benutzt und ist der Halter auf Nachfrage tatsächlich nicht mehr in der Lage, festzustellen, wer einen Halt- oder Parkverstoß beging, entlastet ihn das nicht!

Eine von der Bußgeldbehörde getroffene Kostenentscheidung kann man übrigens innerhalb von zwei Wochen überprüfen lassen, indem man einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die sodann vom Gericht vorgenommene Wertung ist jedoch abschließend, nämlich unanfechtbar! Gewinnt man, das heißt, wird der Kostenbescheid aufgehoben, sind Kosten und Auslagen, die man aufzuwenden hatte, von der Behörde zu bezahlen.

Zu beachten ist, dass Rechtsschutzversicherer keinen Versicherungsschutz gewähren, wenn ein Bußgeldverfahren gemäß § 25 a I StVG zu Ende geht – gleiches gilt für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Ein bei obigen Verstößen meist jedoch völlig übersehener Aspekt soll – last but not least – ebenfalls beleuchtet werden:

Wir stellen uns vor, ein Fahrzeughalter parkt sein Fahrzeug selbst vor einer gekennzeichneten Feuerwehrzufahrt und behindert dadurch Rettungsfahrzeuge im Einsatz. Schlau wie er ist, sagt er sich, dass anstelle eines Bußgeldes von 50 € und dem Eintrag von einem Punkt in Flensburg er doch lieber jede Aussage verweigert und die kostengünstigere Variante der "Halterhaftung im ruhenden Verkehr" auf sich nimmt und die Verfahrenskosten bezahlt.

Auf den ersten Blick mag das folgerichtig gedacht sein – der Pferdefuß kommt nach:

Die Bußgeldbehörde kann in solchen Fällen bei der Zulassungsstelle beantragen, diesem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches aufzuerlegen. Damit wird gewährleistet, dass der Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit in Zukunft rechtzeitig ermittelt werden kann. Der hier einschlägige § 31 a StVZO ist sowohl grundgesetzkonform, als auch nicht über Zeugnisverweigerungsrechte auszuhebeln. Voraussetzung einer Fahrtenbuchauflage ist die Unmöglichkeit einer Täterermittlung. Hier gilt das oben Ausgeführte – beim Parkverstoß liegt eine solche Unmöglichkeit bereits dann vor, wenn der Fahrer nicht beim Fahrzeug angetroffen wird.

Die Verwaltungsgerichte gehen davon aus, dass ein Anhörungsbogen, der einem Halter später als zwei Wochen nach dem Verstoß zugeht als verspätet angesehen wird, da sich nach zwei Wochen keiner mehr an eine bestimmte Fahrt erinnern könne und auch ein auskunftswilliger Halter nicht mehr in der Lage sei, präzise den ihm eventuell bekannten Fahrer zu benennen. In einem solchen Fall ist also eine Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt.

Auch ist zu beachten, dass Fahrtenbuchauflagen nur bei erheblichen Verkehrsverstößen gerechtfertigt sind. In unserem Beispielsfall ist jedoch ein solcher Verstoß gegeben, da die Mindestgeldbuße von 40 € (diese ist als Schwellenwert – vor allem für die Eintragung von Punkten – zu bezeichnen) überschritten wurde. Bei einem einmaligen verbotswidrigen Parken mit ausgesprochenem Verwarnungsgeld kommt aber üblicherweise eine Fahrtenbuchauflage nicht in Betracht.

Rechtsanwalt Michael Winter, Kornwestheim, www.führerscheinretter.de

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