Kolumnen RA Winter für ddp / dapd / Focus

- verfasst von 2001 bis 2022

In Einzelfällen kam es zu einer Änderung der Rechtslage. Die betroffenen Kolumnen wurden aus Zeitgründen noch nicht aktualisiert - dies wird zeitnah nachgeholt.

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Reparatur und Revision - Juristische Fallstricke beachten!

von RA Michael Winter

Herr A. ist Anfangs glücklich. Seine für teueres Geld erworbene Uhr schmückt nicht nur ihn als Träger, sondern kommt ihrer ebenso wichtigen Aufgabe, die Zeit anzuzeigen, mittels eines Automatik-Werkes nahezu perfekt nach.

Die Garantiezeit übersteht die Uhr ohne jegliche Beanstandung – auch die folgenden drei Jahre geben keinerlei Anlass zur Klage.

Trotz regelmäßigen Tragens merkt Herr A. jedoch nach vier Jahren eine Veränderung der Ganggenauigkeit. Da sich seine Traggewohnheit nicht geändert haben, schließt er messerscharf, dass hier möglicherweise eine Überholung seines Schmuckstücks ansteht. Er wendet sich deshalb an den Konzessionär, von dem er die Uhr erwarb und bittet diesen um „Durchsicht“. Über Preise wird nur im ca.-Bereich gesprochen, verbindlich kann der Konzessionär den Preis nicht nennen – Herr A. legt diesen, da er sobald wie möglich wieder über eine ganggenaue Uhr verfügen möchte, auch nicht auf irgendeinen Preis fest.

Nach mehreren Wochen erhält Herr A. seine Uhr zurück – äußerlich ist ihr – außer dass gewisse Gebrauchspuren durch eine Aufarbeitung des Gehäuses und Bandes beseitigt wurden – nichts anzusehen. Innerlich muss jedoch eine heftige Verjüngungskur stattgefunden haben – der Preis für die „Durchsicht“ liegt mehr als dreimal so hoch als zwischen beiden ursprünglich unverbindlich besprochen. Herr A. ist erbost, zahlt jedoch zähneknirschend den aus seiner Sicht weit überhöhten Betrag um seine Uhr wieder in Empfang zu nehmen. Das Vertrauen in seinen Konzessionär und dem Uhrensteller ist jedoch zerstört.

 

Das obige Ergebnis wäre für beide Seiten vermeidbar gewesen, hätten sie die nachfolgenden Grundsätze beachtet:

1. Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber einer Reparatur und dem Auftragnehmer richten sich nach dem Werkvertragsrecht, gleichgültig ob eine Revision, Diagnose, Wartungsarbeiten oder umfangreiche Reparaturarbeiten gefordert werden.

2. Vor Abschluss eines sogenannten „Werkvertrages“ sollten beide Parteien sich darüber im klaren sein, ob und welche „allgemeinen Geschäftsbedingungen“ einem solchen Vertrag zugrunde liegen. Verfügt ein Konzessionär über allgemeine Geschäftsbedingungen, die nicht nur den Kauf, sondern auch Reparaturarbeiten umfassen, hat er sie „in den Vertrag einzuführen“. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass auf praxisüblichen Formularvordrucken auf die Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird und diese auf der Rückseite eines Auftragsformulars abgedruckt sind.

Bereits in früheren Jahren hat die Rechtssprechung teilweise die Auffassung vertreten, das Aushängen von allgemeinen Geschäftsbedingungen im Ladengeschäft reiche nicht für eine Einbeziehung in einen Vertrag aus.

Auch genügt es nicht, dass nur auf Rechnungen oder Lieferscheinen auf die Geltung von allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird.

3. In unserem Beispielsfall wurde ein Pauschalauftrag („Durchsicht“) erteilt – derartige Aufträge sind äußerst konfliktträchtig.

Für die Bestimmung des Vertragsinhaltes kommt es z. B. auf einen – hoffentlich vorhandenen Auftragsschein an. Auf diesem sollten beide Parteien festlegen, was genau gewünscht wird. Im vorliegenden Falle hätte folgende Formulierung von vornherein Konfliktstoff beseitigt:

„Genauigkeit prüfen und den Nachgang beseitigen – Preis der Reparatur darf DM 350,- nicht übersteigen!“

Auch wäre es möglich gewesen, eventuell nicht absehbare zusätzliche Reparaturarbeiten in den Auftrag aufzunehmen und auch hier eine preisliche Grenze zu setzen.

4. Wird sodann eine Arbeit ohne Auftrag ausgeführt, ist sie in der Regel auch nicht zu vergüten.

5. Selbst wenn vom Auftrag gedeckte und fehlerfrei erbrachte Leistungen vorliegen, braucht ein Kunde diesen nicht zu bezahlen, wenn sein Gegenüber gegen die Pflicht zur „sachgerechten wirtschaftlichen Beratung“ verstoßen hat. Diesen wachsweichen Begriff mit Leben zu erfüllen ist eine Aufgabe für die Juristen – hier sei nur angesprochen, dass eine Uhrmacherwerkstatt beispielsweise für einen Diagnosefehler immer haftet.

6. Preisangaben eines Reparateurs können je nach AGB`s dann verbindlich werden, wenn ein schriftlicher Kostenvoranschlag erteilt wird. Für einen solchen schriftlichen Kostenvoranschlag kann eine Vergütung nur dann verlangt werden, wenn dies ausdrücklich zwischen beiden Parteien besprochen wurde – ansonsten ist die Erstellung eines solchen Dokuments kostenfrei.

Haben die Parteien die höhere Vergütung nicht festgelegt, gilt „die übliche Vergütung“ als vereinbart – in der Praxis kennt man sowohl vorkalkulierte Endpreise, als auch die Abrechnung nach Arbeitswerten, als auch die Abrechnung nach Stundenverrechnungsätzen.

7. Will man sicher sein, sein gutes Stück in absehbarer Zeit in Händen zu halten, muss man dies schriftlich fixieren. Denn nur die Überschreitung eines verbindlichen Rückgabetermins löst Rechtsfolgen aus. Hätte man in einem solchen Fall nochmals gemahnt und reagiert der Reparateur nicht, kann man entweder vom Auftrag zurücktreten, den Ersatz seines Verzögerungsschadens verlangen oder sogar selbst Schadensersatz geltend machen.

8. Die Fälligkeit einer Reparaturrechnung setzt eigentlich zunächst die Abnahme der Arbeiten voraus. Eine solche Abnahme könnte in der Entgegennahme der Uhr liegen – hier wüsste der Kunde jedoch noch nicht, ob die in Auftrag gegebenen Arbeiten ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Wäre dies nicht der Fall, würde er selbstverständlich die Abnahme verweigern, weshalb ein Reparateur allein durch die Entgegennahme der Uhr nicht darauf schließen darf, der Kunde sei mit der Reparaturleistung einverstanden – einen Prüfungszeitraum von wenigen Tagen wird man dem Kunden zubilligen müssen.

9. In vielen Fällen ist für diesen Zeitpunkt der Rechnungsbetrag bereits beglichen worden – Ausnahmen existieren in Fällen, in denen sich die Geschäftsbeziehung zwischen Reparateur und Kunde über Jahre hinweg entwickelt hat.

10. In der Praxis würde verständlicherweise ein Konzessionär, der eine Reparatur durchführte, einem völlig fremden Kunden dessen Uhr nicht zurückgeben, ohne auf Bezahlung zu bestehen – hier schützt ihn das Gesetz durch das sogenannte „Unternehmerpfandrecht“. Dies bedeutet, dass die Uhr erst dann herausgegeben werden muss, wenn eine Bezahlung der Rechnung erfolgte.

Kommen wir nun zu dem hoffentlich selten eintretenden Fall, in dem Herr A. feststellt, dass an seiner Uhr zwar der Nachlauf korrigiert wurde, jetzt jedoch ein viel zu großer Vorlauf vorliegt. Die Reparatur, von ihm ursprünglich als „Durchsicht“ in Auftrag gegeben und teuer bezahlt, ist also fehlgeschlagen. Was kann er tun?

1. Generell hat man im Werkvertragsrecht einen Anspruch auf „Nachbesserung“. Das heißt, der Auftragnehmer hat einen „Gewährsmangel“ auf seine Kosten in seinem Betrieb zu beseitigen.

2. Gerät ein Reparateur mit der Nachbesserung in Verzug, darf er den Mangel nicht mehr kostengünstig selbst beseitigen. So lange noch der Nachbesserungsanspruch besteht, kann der Kunde zur Eigennachbesserung oder zur Nachbesserung durch einen Dritten schreiten.

3. Versäumt ein Reparateur die fristgerechte Nachbesserung und hat der Kunde ihm (sicherheitshalber schriftlich) mitgeteilt, dass er eine Mangelbeseitigung nach Fristablauf ablehne, stehen dem Kunden das Recht auf Wandelung, das heißt auf Rückgängigmachung des Vertrages oder das Recht auf Minderung, das heißt auf Reduzierung der Vergütung, zu. Das Recht auf Nachbesserung ist in diesem Falle ausgeschlossen.

4. Nicht immer bedarf es von Kundenseite aus einer Fristsetzung – ist die Beseitigung eines Mangels unmöglich oder verweigert der Reparateur die Nachbesserung, kann sofort auf die oben genannten Ansprüche zurückgegriffen werden.

Dies gilt auch, wenn Kunden eine wiederholte Nachbesserung wegen desselben Mangels nicht zuzumuten ist. In dieser Fallgruppe gehört auch das verlorene Vertrauen zum Reparateur, wenn dieser trotz mehrer Nachbesserungsversuche einen Fehler noch immer nicht beseitigen konnte.

5. Statt Ansprüche auf Wandelung oder Minderung können, so der Reparateur den Mangel verschuldet hat, auch „Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung“ geltend gemacht werden. Hier kann der Kunde diejenigen Schäden ersetzt verlangen, die durch die Mangelbeseitigung nicht mehr behebbar sind – man stelle sich folgendes Beispiel vor:

Unser Herr A. sich über die Jahre hinweg zum Uhrensammler entwickelt und möchten eine Uhr seiner Sammlung verkaufen. Einen Käufer hat er schon, dieser erwartet jedoch eine auf Kosten des Verkäufers aufbereitete Uhr. Herr A. gibt den Auftrag, die Aufbereitungsarbeiten schlagen fehl, sein potenzieller Käufer möchte nicht warten und entscheidet sich anderweitig. Der von Herr A. beim Verkauf eingeplante Gewinn ist „ins Wasser gefallen“ – diesen kann er nunmehr vom Reparateur ersetzt erhalten.

6. Zu beachten ist, dass für Reparaturleistungen eine 6-monatige Verjährungsfrist ab Abnahme gilt – möglicherweise sehen einzelne allgemeine Geschäftsbedingungen eine verlängerte Frist vor. Eine solche Frist wird beispielsweise durch Nachbesserungsarbeiten, so sie als Anerkenntnis ausgelegt werden, oder durch einen Antrag auf gerichtliche Beweissicherung unterbrochen.

7. Schäden, die im „engen und unmittelbaren Zusammenhang mit dem Mangel stehen“ (eine anlässlich einer Reparatur nicht richtig befestigte Schraube löst sich und beschädigt irreparabel das Uhrwerk) können im Rahmen einer sogenannten „positiven Vertragsverletzung“ geltend gemacht werden – hierzu jetzt weiter auszuführen, sprengt den Rahmen dieser Kolumne. Dies gilt auch für die Haftung eines Reparateurs bei Verletzung von sogenannten „vertraglichen Nebenpflichten“.

Ob Reparatur oder Revision einer Uhr – beachten Auftraggeber und Auftragnehmer die obigen Grundsätze werden entweder Konflikte von Anfang an vermieden oder es ist zumindest noch eine ruhige und sachliche Problemlösung möglich.

Zuletzt eine Bitte der Autoren an alle Leser:

Möchten Sie ein spezielles, beispielsweise Sie selbst betreffendes Thema abgehandelt wissen? – Teilen Sie dies bitte der Redaktion mit; wir werden uns im Rahmen weiterer Kolumnen gerne damit auseinandersetzen.

Michael Winter
Rechtsanwalt
Kornwestheim

Michael Hettenbach
Rechtsanwalt
Ludwigsburg

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